21. Tanja Laub: Einhorn, Glitzer und harte Fakten – Warum ein Publikum keine Community ist – Ein Rollentausch mit Sophie Rickmann

von | 20. März 2025 | Einhorn und Glitzer

Zuletzt geändert am 20. März 2025

„Ein Publikum ist keine Community, weil es gehört was ganz anderes dazu, ob ich jetzt einfach nur nach außen sende oder ob ich die Leute wirklich miteinander in den Austausch bringe.“

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Shownotes

Takeaways

An meinem ersten Praktikumstag bei RTL, damals war das Portal Clipfish gerade mal zwei Monate online, hieß es, wer kümmert sich um die Nutzer-E-Mails? Da ging meine Hand hoch“. Was 2006 als spontane Reaktion begann, sollte meine berufliche Laufbahn grundlegend verändern.

Damals war Community Manager noch ein kaum bekanntes Berufsfeld. „Der Begriff ist in Deutschland eigentlich erst so richtig angekommen 2010, als dann Facebook und Co. auf den Markt kamen“. Doch Communities gab es schon lange vor Facebook – in Form von Foren und Newsgroups. Erst mit dem Aufkommen sozialer Medien rückte das systematische Management von Online-Gemeinschaften in den öffentlichen Fokus.

Heute, nach fast zwei Jahrzehnten in diesem Bereich, hat sich meine Rolle gewandelt: „Früher war es so, dass ich eher für andere gearbeitet habe und im Auftrag für die Projekte umgesetzt habe. Das mache ich heute natürlich auch noch, aber auf ganz andere Art und Weise.“ Aus der operativen Auftragsarbeit wurde eine strategische Beratungstätigkeit, die Unternehmen hilft, nachhaltige Communities aufzubauen.

Eine der häufigsten Fehleinschätzungen im Community-Management ist die Annahme, dass es ausreicht, eine Plattform einzurichten und Menschen darauf zu versammeln. „Es braucht für den Aufbau einer Community mehr als einfach nur eine Plattform hinzustellen oder zu sagen, wir haben jetzt eine Community. Das ist ein strategisches Projekt, das man auch entsprechend angehen muss.“

In jahrelanger Arbeit habe ich das „Community Circle Modell“ entwickelt – ein Framework, das die vier wesentlichen Elemente erfolgreicher Communities identifiziert:

  • Strategie: Eine klare Richtung, wohin sich die Community entwickeln soll, inklusive der Motivationsfaktoren für die Mitglieder.
  • Kultur: Die verbindenden Elemente, die aus einzelnen Individuen eine echte Gemeinschaft machen.
  • Austauschort: Ob digitale Plattformen oder physische Räume – es braucht einen geeigneten Ort für die Interaktion.
  • Community-Management: Eine Person oder ein Team, das den Rahmen schafft und die Community begleitet.

„Wenn die vier Bereiche da sind, dann können wir uns über den Content, über die Events und die Aktion Gedanken machen. … Ich kann die besten Inhalte haben, kann die coolsten Events haben. Wenn alles andere nicht stimmt, dann bringt mir das nichts.“

Wann ist Community die richtige Lösung?

Nicht für jede Herausforderung ist eine Community die passende Antwort. Als externe Beraterin stelle ich daher zu Beginn kritische Fragen, die manche Unternehmen sich intern nicht zu stellen wagen. „Ich check mit den Unternehmen tatsächlich immer als erstes ab, ob es überhaupt was bringt“.

Wann ist eine Community also sinnvoll? „Wenn es wirklich um Austausch, Vernetzung, gemeinsame Weiterentwicklung geht … Wenn die Mitarbeitenden voneinander lernen sollen, wenn die Unternehmen lernen wollen, was ihre Kunden wirklich bewegt, wenn man andere Einblicke kriegen will. …. Alles Wissen ist heute im Internet verfügbar. Ich kann mir einfach irgendwo was anlesen. Aber der wirkliche Erfahrungsaustausch, das Sparing, die gemeinsame Weiterentwicklung, das bringt mir nur eine Community.“

Die Ressourcenfrage: Warum Communities nicht „nebenbei“ funktionieren

„Ich empfehle immer eine feste Stelle, denn es ist nicht ein Projekt, dass man einfach mal so nebenher machen kann.“ In der Praxis steht jedoch oft nicht eine einzelne Vollzeitstelle zur Verfügung, sondern mehrere Personen die, die Aufgabe „nebenbei“ übernehmen.

„Der Aufbau von Community-Management macht nur Sinn, wenn man es auch wirklich richtig angehen will. Sonst kann man halt mehr verbrennen, als man Gutes damit tut.“ Besonders kritisch wird es, wenn anfängliches Engagement nicht nachhaltig aufrechterhalten wird: „Wenn man eine Zeit lang sehr engagiert ist, auf die Leute zugeht, die Kommunikation fördert und das plötzlich sich dann wieder entgegengesetzt verhält, dann sind die Mitarbeitenden natürlich total verunsichert oder die Kunden.“

Die klare Botschaft: „Community ist großartig, aber wenn die Ressourcen nicht da sind, dann bringt das einfach nichts.“

Ein Publikum ist keine Community

„Ein Publikum ist keine Community. Ganz viele bezeichnen ja ihre Follower und Fans als Community und ich tick dann immer so bisschen aus.“

Der Unterschied liegt in der Art der Interaktion: „Es gehört was ganz anderes dazu, ob ich jetzt einfach nur nach außen sende oder ob ich die Leute wirklich miteinander in den Austausch bringe.“ Ich vergleiche es immer mit einem Event: „Ich kann eine Veranstaltung organisieren und stelle Essen auf den Tisch. Und dann sind die Leute da und dann habe ich sie zusammengebracht. Aber damit habe ich noch keine Community aufgebaut.“

Was braucht es zusätzlich? „Dazu gehört, dass ich die Leute willkommen heiße, dass ich ein Onboarding-Programm habe, dass ich schaue, wer passt zu wem, dass ich die Leute miteinander vorstelle, dass ich ein Programm konzipiere, damit die wirklich miteinander in den Austausch kommen, dass ich die Hürden niedrig halte, damit die sich alle trauen, sich auch einzubringen und Fragen zu stellen.“

Die vielfältige Welt der Communities

Communities sind so vielfältig wie die Menschen, die sie bilden. Unterscheiden kann man:

  • Nach Zielgruppe: Interne Communities, die Mitarbeitende, externe Communities Endkunden (B2C) oder Partner (B2B)
  • Nach Entstehung: Natürlich entstanden (wie Fangemeinschaften) oder strategisch gegründet (von Unternehmen)
  • Nach Medium: Online, offline oder hybrid
  • Nach Motivation: Communities der Umstände (z.B. Expats oder Menschen mit gleicher Erkrankung), lokale Communities, Communities of Practice (beruflicher Austausch)

Diese Vielfalt zeigt, wie wichtig eine differenzierte Betrachtung ist. Ein One-Size-Fits-All-Ansatz kann der Komplexität des Community-Managements nicht gerecht werden.

Von der Analyse zur Optimierung

Wenn ich mit Unternehmen zusammenarbeitet, analysiere ich zunächst drei zentrale Aspekte:

  1. Zweck der Community: „Was soll erreicht werden?“ Der Zweck ist oft zu breit angelegt und eine Fokussierung nötig .
  2. Zielgruppe: Auch hier plädiere ich für eine sinnvolle Eingrenzung statt pauschaler Ansätze.
  3. Motivationsfaktoren: „Was bewegt die Leute intrinsisch wirklich in einer Community, sich zu engagieren, mitzumachen, sich daran zu beteiligen? Denn damit steht und fällt alles.“

Bei der Optimierung kann der Fokus auf verschiedenen Bereichen liegen:

  • Motivation und Engagement der Mitglieder
  • Wissensverfügbarkeit im Unternehmen
  • Strukturen und Prozesse zur Integration der Community ins Unternehmen

„Ganz oft ist Community Management noch so ein isolierter Prozess, wo man aber das ganze Wissen, das vorhanden ist, nicht optimal nutzt“.

Community Glitz: Ein Event von Profis für Profis

Aus der Erkenntnis, dass Community-Manager oft isoliert arbeiten und zu wenig voneinander lernen, entstand mein neuestes Projekt: „Community Glitz“. Der Name steht für: Gemeinsam neue Perspektiven entwickeln, Lernen von den Erfahrungen anderer, Inspirieren lassen und inspirieren, Transformation aktiv gestalten und Zukunft der Communities prägen.

Anders als bei klassischen Konferenzen steht hier der direkte Austausch im Mittelpunkt: „Auf Konferenzen lernt man was, aber die Leute sind ganz oft dort und tauschen sich viel lieber mit den Leuten aus. Also die Pausen oder die Zwischen-Sessions oder Sessions skippen ist oft das, worüber die Leute hinterher viel mehr sprechen. Und das wollte ich in den Vordergrund rücken.“

Ein weiterer Unterschied: Die Themen werden nicht vom Veranstalter, sondern von den Teilnehmenden bestimmt. „Mir ist es wichtig, dass es bei dem Event wirklich um die Fragestellungen geht, die die einzelnen Teilnehmenden zu dem Zeitpunkt haben, sodass sie ihre eigenen Themen setzen können.“

Ausbildung im Community-Management: Mehr Praxis als Theorie

Wer eine Karriere im Community-Management anstrebt, findet bislang kaum formale Ausbildungswege. „Es gibt tatsächlich gar nicht so viele Möglichkeiten“. „Das wichtigste in dem Bereich ist tatsächlich sich ganz viel learning by doing, Praxisaustausch, Austausch mit anderen Community-Managern, ganz viel Lesen und solche Dinge.“

Akademische Angebote sind rar: „Es gibt keinen Studiengang, der rein auf Community-Management fokussiert ist. Es gibt keine Ausbildung dazu.“ Ich kenne lediglich zwei Ausnahmen: einen Studiengang an der THM in Gießen mit einem Modul zu Community Management und eine berufsbegleitende Weiterbildung an der TU Dresden.

Um diese Lücke zu schließen, arbeite ich selbst an einem umfassenden Buch über Community-Management, das über 30 Praxisbeispiele von Gastautoren enthalten wird – ein weiterer Baustein für alle, die sich in diesem wachsenden Feld professionalisieren möchten.

Fazit: Drei Faktoren für erfolgreiche Communities

  • „Es braucht für den Aufbau einer Community mehr als einfach nur eine Plattform hinzustellen oder zu sagen, wir haben jetzt eine Community. Das ist ein strategisches Projekt, das man auch entsprechend angehen muss.“
  • „Es braucht Ressourcen für eine Community. Das läuft nicht von alleine. Es braucht Menschen, die in der Community aktiv sind, die dafür Arbeitszeit haben. Und ja, es braucht auch Budget.“
  • „Ein Publikum ist keine Community.“ Dies betrifft sowohl das Erwartungsmanagement als auch die strategische Ausrichtung: „Du musst wissen, wohin du willst und was du entwickeln willst, und erst dann kannst du die richtige Strategie dafür entwickeln.“

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